Britta Uschkamp
Komplimente on the Rocks
Rauchig, rohe Rockmusik, Elektrotöne, bierverklebtes Tanzparkett, heiße Luft und kühle Tropfen – manches schäumt, ein andres klickert. Ein angesagtes Pub, meine Freunde, ein Pub. Flüssig, lustig, bis ganz spät. Irgendwo in Paris, zwischen zu Hause und dem nächsten Abenteuer. Wenn man denn möchte ...
Der DJ trällert, es wird spät und später, die Preise steigen, es tanzt, lacht, schreit und drängelt. Greift unbeschämt an fremde Ärsche, reicht ein Glas, versucht zu flirten. Männlich, weiblich – alle gleich und doch so anders, wilde Knospen in der Paarungszeit. Es ist Anfang Februar, kurz vor Valentinstag, die Menschheit schwimmt im Frühlingsdämmern.
Es ist eine dieser Nächte, in denen ich mich verdammt langweile. Der Drink schmeckt mir nicht, welcher er auch sein mag. Schlechter Wein beißt meine Haut, der Hopfen bittert. Vielleicht ein Shot, das könnte erfrischen ... Die Musik interessiert mich nach drei Stunden auch nicht mehr.
Dann taucht dieser Trottel auf, redet mir ein Märchen von meerblauen Augen und sonnigem Haar. Meine Herren, was soll denn das. Firma dankt. Heute nicht. Sag doch gleich, dass du nur vögeln willst, dann könnte ich einfach nein sagen und die Sache hätte sich erledigt. Könnte ich weitergähnen. Kann ich ja jetzt noch nicht wissen, dass ich später mal leicht angesäuselt und herzschmerzelig meine Meinung ändern mag und wir uns verschwitzt im Aufzug gegen die Wände drücken. Alles Hypothese, Zukunftsspekulanz mit hohem Risiko. Also, lass mich bloß in Ruhe!!!!!! Und hier ist gar nichts blau außer dir, du Würstchen ... meine Augen sind grün, grün, grün – und sehen ganz genau hin, wenn’s wieder so überschwänglich romantisch wird.
Der Boden ist versifft, klar. Ob man hier des Morgens wohl Münzen oder dreckige Scheine finden mag ...? Meine roten Ballerinas glänzen immer noch, doch wollen sie nicht tanzen, die Zehen sind eingeengt und müde.
Dann ist mein Kumpel Marlon wieder bei mir. Schön. Er hätte da wen für mich entdeckt. Mmmh? Ah! An der Bar, da war vorhin einer, den ich in meinem Taumel flüchtig gesehen hatte. Mit so nem albernen Wollhütchen. Mal schaun ... und dann kommt Marlon tatsächlich mit genau diesem Typen an. Lustig. Ein wenig verpeilt ist er. Eventuell angetrunken, oder Drogenmissbrauch. Ja, wahrscheinlich von allem ein bisschen zu viel, der spezielle Freitag-Abend-Cocktail. Aber halt mal – heute ist doch erst Donnerstag ... versetzte Zeit, französisches Savoir-vivre, das Wochenende so früh wie möglich und so lange wie geht ...
Fummelt dauernd an seinem schicken Handy rum. Zeigt mir ein Foto von seinem Superauto. War gar nicht seine Karre, erzählt er mir später. Etwas neben der Mütze, der Gute. Aber irgendwas macht mich an. Im Grunde könnte er sein wie der von vorhin, versuchen mit blühender Landschaftssymbolik meine Zunge zu erobern, in mein Herz zu gleiten. So ist er aber nicht. Er ist vielleicht genauso wie ich ihn mir wünsche. Ich mag, wie er sich bewegt, verschwungen und tanzend. Wie er zu mir spricht. Ganz nah an meinem Ohr spielt der Hauch seiner Worte, streichelt meinen Nacken. Sein Arm schwebt über meiner Schulter. Angenehmes Körperspiel. Sehr natürlich. Oder vielleicht bloß ein kalkulierter Trick. Egal, gefällt mir, diese freie, weiche Intimität mit einem Fremden. Hormone sind schnell und unbeirrbar, katalysiert von Sehnsucht und alkoholischen Träumen.
Spontan gefällt mir eigentlich sein Kumpel besser. Klassisch, schön, groß, wirkt stark und stärker. Ich überlege, mmmh ... ist aber nicht so mein Typ, zu sauber, arrogant und göttlich, zu schön. Also doch lieber der mit der Mütze.
Obwohl die ganze Story ein bisschen zusammengeflickt wirkt, mag ich, was mit uns passiert. Wir gehen zusammen aufs Klo und nehmen ein bisschen Koks. Ooohps, wie ist denn das jetzt passiert ... oh, er küsst meine Lippen, mmmh ... sehr nett. Er erzählt mir von seinem Tick für Frauen, die koksen. Sei angeblich extrem sexy. Ah – nicht mehr so nett ... sonst keine Geschichten zu erzählen??
Der Kuss war kurz. Schnell will er mehr, zieht meine Hand ein wenig unelegant auf die Jeansbeule seiner Männlichkeit. So, das reicht jetzt aber, Schätzchen. Wo simmer denn hier ... keine Sensualität, komplett ohne Zusammenhang. Bin zu nüchtern für solch plumpe Kinderspiele. Dafür bin ich nicht in diese Bar gekommen ...
Ich verpisse mich. Das kann ich auch bei jedem haben. Wo ist denn da die Kunst. Langweilt mich. Oh nein, schon wieder Langeweile ... nein, das geht doch nicht an ...!! Ist voll verboten!!! Ein angesagter Laden mit allem, was man sich so an Aufregung zu wünschen haben sollte ... und dann solche Gefühle, Gedanken ohne Aussprache: Schade, mit uns wird das nichts, Kleiner. Nimm dein jämmerliches Pülverchen und verzieh dich!
»Knall« – zu die Türe, schnell die Treppen nach oben. Ich bestelle mir einen Wodka, will direkt zahlen. »Geht auf mich«, sagt da einer. Och neee, den Kerl mag ich jetzt aber nich so gerne. Trinke trotzdem. Dankeschön.
Auch wenn er nicht perfekt war, das mit dem Küssen macht schon Lust auf mehr und er war echt süß. Ist ja normal, dass man sich auf ner Party etwas danebenbenimmt. Bevor ich gehe, schaue ich noch mal nach ihm. Ich möchte seine Lippen lecken. Denn der erste Kuss ist schon so schnell verflogen. Jippie, hallo!! Da ist er ... knutsch, knutsch ... Mitkommen soll ich, mit zu ihm. Jetzt, direkt, sofort, bitte, bitte, sei gleich um die Ecke. Nun, wäre ja an für sich praktisch, weil ich am nächsten Tag im gleichen Bezirk einen Job hab ... aber mit Sicherheit komplett durchgevögelt und unausgeschlafen wäre. Make-up voll vermatscht, eventuell wenigstens geduscht (mit Männerduftendem Duschgel oder dem von seiner Freundin ...??!!), aber keine frische Unterwäsche, keine eigene Zahnbürste ... nein, das will ich alles nicht!! Nun, vielen Dank für die Einladung, aber du kannst bestimmt noch wen andres für solche kurzen Nächte finden, ich nehm mir jetzt ein Taxi. Auch wenn ich mich noch so oft nach ihm umdrehn muss – weil: Ich bin ein bisschen festgeklebt – jetzt ist Schluss! Reiß dich zusammen, Mädchen! Denn wenn er wirklich will, so kann er warten! Je länger, desto besser. »Ok, ich geb dir meine Nummer ...«
Und er wollte ... für eine kurze Weile zumindest. Der Charme vieler Nächte, keine Party ohne dich, kein Kuss ohne dich – naja, vielleicht ein oder zwei ... – bis ich merkte, dass all deine Worte, all die Blumen, die du mir schenktest, bloß eine Chiffrage deiner Testosteron-Perversionen waren ... Und so entlass ich dich zurück in die Nacht, deine Jagd weiterzuführen ... andrer Männer und Frauen Haut zu spüren ...
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