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Leseprobe aus der Anthologie »Sternenlust«

Arno Endler

Sternenhimmel


Krebs sucht Jungfrau.
Johann kicherte albern, obwohl es der Situation nicht angemessen war.
»Warum lachst du?«, fragte Stella, die ihm nicht ins Gesicht schauen konnte, da sie auf dem Bauch lag.
Johann riss sich zusammen und unterdrückte das nächste Kichern. »Ich musste an meine Annonce denken. Krebs sucht Jungfrau! Wie albern!«
»Ich fand es süß«, widersprach Stella.
»Dafür bin ich dir auch dankbar«, entgegnete Johann und meinte dann: »Das klang jetzt blöd, oder?«
»Sei doch einfach still und mach weiter.«
Johann nickte, obwohl sie dies nicht sehen konnte. Er tauchte seinen Pinsel in die blaue Farbe und zeichnete eine weitere Verbindungslinie zwischen zwei Sommersprossen. Ohne abzusetzen, fuhr er mit dem Zeichengerät weiter, und nach zwei weiteren Wendungen verkündete er: »Das war der große Wagen!«
»Mhm.« Stella schnurrte zufrieden, wie eine Katze. »Hör nicht auf.«
Johann untersuchte ihren nackten Rücken, observierte die zahllosen Sommersprossen und fand das W der Cassiopeia. »Hier ist noch ein Sternbild, Stella!«, rief er. »Genannt das Himmels-We!«
»Wo liegt es?«, fragte seine fleischgewordene Internet-Bekanntschaft.
»Ich zeichne es ein. Lass dich überraschen!« Johann wählte ein kräftiges Orange, tupfte den feinen Pinsel in die Wasserfarbe und setzte an. Die erste Sommersprosse lag prächtig und unübersehbar auf ihrer linken Po-Backe. Prall und hell leuchtete der weiße Mond, mit mehreren Dutzend Sommersprossen, wie der Sternenhimmel im Sommer.
Johann zog den Pinsel in einer sanften Bewegung schräg nach rechts nach unten, zu einer Stelle, die schon deutlich geneigt war. Von dort aus zog er eine Linie nach rechts oben, bis knapp unterhalb des Steißbeines in ihre herrliche Po-Ritze. Eine kräftige Sommersprosse leuchtete nun orange. Weiter zeichnete er entlang der Innenseite ihrer rechten Po-Backe bis zum vierten Stern und von dort aus wieder hinauf, zentral auf der runden Weichheit, vollendete er das Sternbild.
Stella stöhnte.
Johann sah, wie sie ihre Schenkel leicht öffnete, doch er widerstand der Versuchung, tiefer zu forschen.

Sie kannten sich erst zwei Stunden. Johann hatte allen Mut aufbringen müssen, um auf seinen bisherigen Online-Plausch ein Offline-Date folgen zu lassen. Doch Stella – allein der Name ließ ihn schon hoffen – ließ nicht locker, bis sie sich endlich in einem Café getroffen hatten. Johann war verkrampft und gehemmt. Kein Wunder, da er seit zwanzig Jahren Single war, nur zweimal in diesem Zeitraum mit einer Frau ausgegangen war und selbst für einen Mann seines Alters – er war fünfundvierzig – nicht besonders gut aussah.
In dem Augenblick, als Stella das Café betrat, glaubte Johann nicht, dass es die Frau aus dem Chat war. Stella strahlte wie die Sonne, ihre Augen leuchteten wie Zwillingssterne, ihr Haar hatte die Farbe des Mars, und in ihrem Gesicht glitzerten die Sommersprossen, wie die Leuchtpunkte am nächtlichen Firmament. Johann erstickte fast, so lange vergaß er zu atmen. Stella trat an seinen Tisch mit dem Weihnachtsstern, den er in der Blumenhandlung um die Ecke gekauft hatte und fragte: »Johann? Bist du’s?«
Er konnte nur nicken, an Sprechen war nicht zu denken. Doch das musste er auch gar nicht. Stella übernahm das Reden für sie alle beide. Gelegentlich musste er auf eine Frage reagieren, aber das fiel ihm nicht schwer. Denn zu seinem Erstaunen löste sich seine Verkrampfung nach einer der Weile. Je länger das Gespräch dauerte, umso wohler fühlte er sich in Stellas Nähe.
Dann, in einer der seltenen Atempausen der Frau, sprach Johann, ohne dass er sich die Worte vorher zurechtgelegt hätte: »Stella?«
»Ja, Johann?«
»Die Sommersprossen in deinem Gesicht sehen aus wie die Sterne am nördlichen Nachthimmel!«
»Oh! Das hast du schön gesagt, Johann. Ich habe aber noch viel mehr!«
»Viel mehr – was?«
»Sommersprossen! Am ganzen Körper. Möchtest du sie sehen?«
Johann nickte, bevor er überlegte, was die Frage Stellas implizierte.
»Dann lass uns zu mir gehen!«, bestimmte die Frau und erhob sich bereits vom Stuhl.
Die nächsten Minuten vergingen für Johann wie im Traum. Er sah nicht die Autos, nicht die Straße, nicht den Himmel und nicht den Weg, den sie nahmen, um zu Stellas Wohnung zu gelangen. Er spürte nur die warme weiche Hand einer Frau in seiner Hand, sah nur das sternenüberfüllte Gesicht Stellas neben sich leuchten.
In der Wohnung neckte sie ihn, entblößte ihre Schultern, bewies, dass sich das Firmament ihrer Sommersprossensterne über die zarten Schultern erstreckte. Johann erkannte die Leier und zeichnete mit seinen Fingern die Konstellation nach.
»Vielleicht findest du noch mehr?«, hauchte Stella, huschte in den Nebenraum, kam mit einem Wasserfarbenmalkasten zurück, reichte ihn dem sprachlosen Mann und meinte nur: »Ich möchte den Sternenhimmel kennenlernen.«
Dann nahm sie Johann bei der Hand, führte ihn in ihr Schlafzimmer, entstieg ihrer Kleidung und legte sich auf das Bett.
Johann starrte den nackten Körper der Frau an, sah die Sommersprossen, die sich zu bekannten Sternbildern verbanden.
»Auf der Kommode steht ein Glas mit Wasser!«, sagte Stella.
Da regte sich Johann endlich, legte seine Jacke ab, das Hemd und die Hose, bis er endlich nackt war. Er öffnete den Malkasten, fand darin drei feine Pinsel, setzte sich neben Stella aufs Bett, ohne sie zu berühren und zeichnete in unterschiedlichen Farben die Sternbilder nach, die er auf Stellas Rücken fand.

»Oah! Wie hieß dieses Sternbild?«, fragte die bunt bemalte Frau und keuchte leicht.
»Das Himmels-We!«, antwortete Johann.
»Das war wirklich gut! Was siehst du noch?«
Der Sternenexperte suchte ihren Rücken ab, doch es waren schon sehr viele Linien darauf gemalt. An ihren Oberschenkeln schien zumindest der Ansatz des Orion-Gürtels vorhanden zu sein. Johann entschied sich für Rot und begann die Sommersprossen zu verbinden. Von der Außenseite des rechten Oberschenkels über die Mitte, sehr weit oben, fast dort, wo der Po eine leichte Falte warf.
Stella japste nach Luft.
Johann ignorierte sie und zeichnete weiter, musste dabei auf die Innenseite wechseln, und stieß dann auf den anderen Schenkel. Er stoppte den Pinselstrich.
»Warum hörst du auf?«
»Du musst dich umdrehen, sonst kann ich den Gürtel des Orion nicht vollenden.«
Stella gehorchte und als sie mit leicht gespreizten Beinen auf dem Rücken lag, vervollständigte Johann das Sternbild, zeichnete beinahe bis zu ihren blonden, kurz geschorenen Haaren. Er betrachtete ihre Schamlippen, zwischen denen ein feuchter, heller Punkt zu sehen war. Ihre Klitoris war stark angeschwollen, wirkte beinahe wie der Polarstern. Johann bewegte den Pinsel leicht über die dunkelroten empfindlichen Stellen der Frau. Stella wölbte ihre Vulva dem Pinsel entgegen, hielt für einen Moment den Atem an, und als dann Johann über den Kitzler strich, keuchte sie heftig und hauchte nur: »Ja, ja, ja!«
Johann spürte das Pochen seines Penis, sah, wie Stella wieder auf die Laken sank, und erkannte dann das wahre Ausmaß ihrer Schönheit. Von der Scham über ihren herrlich weiblichen Bauch bis zu ihren vollen Brüsten und dem Dekolleté erstreckten sich die Sommersprossen. Johann sah die Gesamtheit und erkannte die Milchstraße in einer wolkenlosen Sommernacht. Er ließ den Pinsel einfach fallen, küsste sich vom großen Bär hoch bis zu Cygnus X1, fand Stellas Mund und wie von selbst auch ihre feuchte Weiblichkeit.
Nie wieder würde er den Sternenhimmel in seinem Planetarium so nüchtern sehen, wie er es bislang getan hatte. Die Sterne waren von nun an fest verbunden mit dem Anblick und den Gefühlen jenes himmlischen Augenblicks mit Stella, der Frau, die einen ganzen Himmel ihr eigen nannte.


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